Von Robin Schwarzenbach Zur BEin milder Frühlingsabend Mitte April. Noch fahren auf dem Vierwaldstättersee wenige Boote und Schiffe, das Wasser liegt flach in seinem Becken – beste Bedingungen also für die achte und letzte Lektion eines Anfängerkurses im Ruderclub Reuss Luzern. Die Teilnehmer – sechs Frauen, drei Männer zwischen 30 und 50 Jahren – tragen die Boote zu Wasser. Begleitet werden die Dreier-Equipen von Instruktoren, die die Steuerseile bedienen, und von Bernhard Jost, dem Kursleiter. Er folgt der Gruppe in einem Motorboot. «Eigentlich», sagt der 64-Jährige, «sollten jetzt keine Anweisungen mehr nötig sein.» Aber es kommt anders. «Den Oberkörper nach vorne!» – «Stossen mit den Beinen, nicht mit den Armen ziehen!» – «Die Ruder zum Wasser, nicht vom Wasser weg!» Jost entgeht nichts. Er stammt aus einer echten Ruderfamilie, wie er sagt. Doch taugt der Sport auch für Einsteiger, die sich auf keine vergleichbare Tradition berufen können und keinerlei Ambitionen hegen im Wettkampfsport? Viele Einsteigerinnen «Wir sind eine vereinsorientierte Sportart», sagt Christian Stofer, Direktor des Schweizerischen Ruderverbands. Daran dürfte sich wenig ändern. Ruderklubs in der Schweiz verfügen über mehrere Vorteile: Sie haben einen Einstellplatz am Wasser, sie besitzen das notwendige Material, und sie kennen sich aus mit Technik und Didaktik. Fabrikneue Sportruderboote kosten mehrere tausend Franken. «Niemand würde einem einfach so ein Boot verleihen, wenn man noch nicht rudern kann», sagt Stofer. Das Image hingegen, dass Ruderklubs elitäre, von Männern dominierte und vor allem auf Spitzenathleten ausgerichtete Zirkel seien, trifft immer weniger zu. Aus einem lange belächelten Anhängsel – dem Breitensport – ist ein wichtiges Standbein geworden. Die 76 Klubs des nationalen Verbands verzeichnen zusammen rund 11 500 aktive Mitglieder, 9500 davon bestreiten keine Wettkämpfe. Den grössten Anteil des Wachstums der Ruderszene – plus 50 Prozent seit 2002 – steuerten Hobbysportler bei. Unter ihnen befinden sich viele Frauen. In den Einsteigerkursen des Ruderclubs Reuss Luzern sind Ruderinnen seit Jahren in der Überzahl. Die Vereine haben denn auch ein neues Selbstverständnis entwickelt. «Es reicht nicht mehr, der Basis die ‹totgeruderten› Boote der Spitze zu überlassen, wie das in den neunziger Jahren noch der Fall war», sagt Stofer. Ein Blick ins Klubhaus am Vierwaldstättersee bestätigt die Einschätzung des Verbandsdirektors: Für Einsteiger hat der Verein viele sogenannte C-Boote angeschafft. Diese sind etwas breiter als die schnellen Rennboote der Elite, dafür stabiler. «Wir wollen ein Sport für alle sein», sagt Stofer. In den meisten Fällen heisst das: Man muss einem Klub beitreten. Absolventen des Einsteigerkurses in Luzern etwa können sich nach diesem Lehrgang für weitere Trainings (auf dem Wasser und am Ergometer) anmelden und so einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Auch die nächsten Schritte sind klar geregelt. Nach 500 geruderten Kilometern dürfen Breitensportler auch ausserhalb dieser Trainingszeiten beziehungsweise ohne Instruktoren Ausfahrten machen, nach 2000 Kilometern auf dem See und einem Rennruderkurs dürfen sie eines der schnellen Boote benutzen. Akademiker im Vorteil Ein Verein indes bedeutet nicht nur Sport und Training. «Wir sind kein Fitnesscenter», heisst es auf einem Flyer, der den Luzerner Einsteigern beim abschliessenden Abendessen im Klubhaus verteilt wird. Mitglieder sind angehalten, am Vereinsleben teilzunehmen. Doch für die Kursteilnehmer ist das kein Problem. Viele von ihnen wollen weitermachen. Denn: «Man kann richtig abschalten!» – «Die Ruhe draussen auf dem See ist wunderbar, das wollte ich schon immer machen!» Die Runde ist begeistert von ihrem neuen Sport, trotz müden Muskeln und einigen Blasen an den Händen. Für Neu-Ruderer allerdings, die sich keinem Klub anschliessen wollen, gibt es nur wenige Alternativen. Ruderschulen bieten individuelle Kurse an. Wer Beziehungen hat, findet in manchen Vereinen einen Platz zur Miete fürs eigene Boot. Studierende und Alumni von Hochschulen wiederum profitieren von Kooperationen. So kann man im Akademischen Sportverband Zürich (ASVZ) – nach einem Einsteigerkurs – bis Ende September an wöchentlichen Ausfahrten auf dem Zürichsee teilnehmen. Partnerorganisation ist der Belvoir-Ruderclub. ASVZ-Lehrgänge für Fortgeschrittene finden im polytechnischen und im Grasshopper-Club statt (der bei dieser Gelegenheit eine Ausnahme macht und entgegen den eigenen Statuten auch Frauen willkommen heisst in seinen Booten). Solche über Dritte realisierte Angebote kosten einiges weniger als eine Mitgliedschaft in einem Ruderklub. Aus dem NZZ-E-Paper vom 30.04.2017
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